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13.03.2013

» Fantasialand Schlossgarten

Freizeitpark von Züblin vorgestellt

Am 11.3.2013 fand im Rathaus der Stadt Stuttgart eine Sitzung des Bezirksbeirats Mitte statt. Anlass war eine Präsentation der Bahn über die nächsten geplanten Baumaßnahmen. Vorgestellt wurden die Umbauten im Bahnhof zur Vorverlegung des Querbahnsteigs und die Ergebnisse einer zugehörigen Personenstromanalyse und eine Art Diskussionsstand zur Realisierung des Nesenbachdükers. Im Bezug zum Mittleren Schlossgarten wurde es dann richtig anschaulich, als ein Ingenieur das neue Wegekonzept präsentierte.

Wegekonzept für Fußgänger oder Rohrpost für Frachtgut?

Nun sollen also endlich Baugruben im Mittleren Schlossgarten entstehen. Dazu ist zuerst eine umfängliche Logistik einzurichten. In Anlehnung an den Planfeststellungsbeschluss 1.1. ist im Gestattungsvertrag festgelegt, dass die Wegeführungen im Schlossgarten durchgängig gewährleistet sein müssen. Mit etwas Stolz in der Stimme wurde dann die folgende Abbildung gezeigt. Man muss sich schon wundern, dass Weltkonzerne wie Züblin AG und Bahn AG derart jämmerliche Darstellungen in der Öffentlichkeit zeigen. Es gibt heute ausgefeilte 3D-Software, mit der Konstruktionen maßstabsgerecht in reale Fotografien oder Luftbilder eingebaut werden können. Geht es um den Gewinn eines Wettbewerbs, bekommen sie das auch hin. Für schnöde Veranstaltungen der Demokratie ist der Aufwand dann doch zu hoch – oder versagte die Software wegen eines undefinierten Planungsstandes?

Die Abbildung zeigt in blau die Fußgängerwege. Graue Linien stellen Baustraßen dar, die grauen Flächen sind die Baugruben, mit denen man beginnen möchte. Die hellgrüne Linie ist das Förderband für den Erdaushub des Fildertunnels. Das breite, ockerfarbene Band vom Planetarium zur Schillerstraße ist der Korridor für den Abwasserkanal mit Düker.


Halten wir erstmal fest, dass der Aushub der Baugrube 22 über die Schillerstraße mit LKW abgefahren wird. Die andere Ausfahrt liegt in der Straße Am Schlossgarten. Auch hier werden LKW im öffentlichen Straßenraum benutzt, weil die vorgesehene Baustraße zum Nordbahnhof erst 2014 fertig gestellt werden kann. Die Autofahrer in Stuttgart werden sich also schon bald freuen, dass es endlich losgeht.

Warum wird alles immer viel teurer?

Die vorgestellte Planung ist ein treffliches Beispiel dafür. Da wird Politikern eine Folie erstmals vorgeführt, ganz realistisch als Luftbild. Es reicht weder die Zeit, sich darin zu vertiefen, noch ist die Darstellung so genau, dass man wirklich auf Anhieb erkennt, was Sache ist. Als Bauherr oder ausführender Betrieb, als jemand der das bezahlen oder bauen muss, würde man den Architekten oder Ingenieur aber umgehend auffordern, Detailpläne für bestimmte Stellen vorzulegen. Machen wir das also mal (auch wenn sich alles bestgeplant ständig ändert).

 

A. Die Rutschbahn

Vom Querbahnsteig des Bahnhofes her kommend, wird der Weg als geständerte Brücke um das GWM herumgeführt, etwa auf Traufhöhe. Nördlich des GWM zweigt dann in einer Doppelkehre ein Weg über den Feldherrenhügel ab in den Schlossgarten. Die Doppelkehre ist notwenig, um das Gefälle der Höhendifferenz abzufangen. Allerdings folgt in Richtung Biergarten eine imposante Rutschbahn, welche dann auf niedrigeren Ständern fortgeführt wird.

Gesagt wurde, dass bei Punkt B. das normale Niveau des Schlossgartens erreicht sein soll. Betrachtet man die Streckenlänge der Doppelkehre im Vergleich dazu, kann diese Aussage nicht stimmen.

 

 

 

B. Der Knubbel

Mitten durch das Baufeld führt ein Fußgängerweg vom Punkt B. in Richtung Leitner-Steg und kreuzt dabei mehrere Linien. Es scheint eindeutig, dass das Förderband aufgeständert ist und über alle anderen Beziehungen hinwegführt. Die Baustraße liegt aber unter dem Fußgängerweg – an der Stelle haben wir also drei Verkehrsebenen. Der Weg von der Rutsche kann also nicht ebenerdig enden, oder er muss dann gleich wieder ansteigen beim Verlauf durch das Baufeld.


Interessant ist hier ein weiteres Detail. Wegen Unfallverhütungsvorschriften müssen Wege, die über Bauflächen hinweg führen, eingehaust werden (sind also Röhren). Es wurde auch gesagt, dass die Darstellung an der Straße am Schlossgarten noch nicht korrekt sei, dort müsse ebenfalls noch eine Einhausung dargestellt werden. Eine solche Röhre hat man an dieser Stelle aber schon vorgesehen, nämlich am Knick des Weges in Richtung Wullesteg. Auch das ist ein Hinweis, dass am Punkt B. keine Ebenerdigkeit vorliegt.

 

 

C. Die Brücke

An diesem Punkt sieht man eine Baustraße, die zur Baustelle der SSB führt. Hier wird der Fußgänger unterhalb entlang geführt. Man erkennt auch noch das alte Wegenetz. Nach Norden sind zwei ebenerdige Anschlüsse an den Bestand zu erkennen, am rechten Rand der Anschluss an den Wullesteg. Mit dem Bogen wird wieder die Höhendifferenz ausgeglichen. Das heißt, der Fußgängerweg führt an dieser Stelle auf der oberen Hangkante entlang, also schon fast auf dem Niveau der Willy-Brandt-Straße, und verläuft dann in einer Senke unter der Baustraße hindurch.


Dieser Erlebnispfad, von der Haltestelle Staatsgalerie bis zum Anschluss an den Querbahnsteig wird für Jahre die einzige Verbindung zum Hauptbahnhof sein, weil die Stadtbahn wegen der Umbaumaßnahmen nur in einer Richtung wird fahren können. Wie lange dieser Zustand dauern wird, hängt vom Baufortschritt des Nesenbachdükers ab ….

 

 

D. Die Passage

Interessant ist auch die Anbindung an die Klettpassage. Vorgesehen war hier eigentlich auch ein Fahrradweg auf die Schillerstraße. Deswegen mussten an der Stelle die Bäume 300 und 301 gefällt werden. Diese Anbindung ist wohl einer Kostenoptimierung zum Opfer gefallen.


Auch hier ist das alte Wegenetz noch erkennbar. Eindeutig wird die Baustraße der Baugrube 16 auf dem vorhandenen Fußweg entlang geführt. Das bedeutet jedoch, dass ein neuer Weg durch das angebliche Schutzgebiet gebaut werden muss. Hier droht also eine weitere Versiegelung von Flächen ebenso, wie das Ausheben von Gräben für Beleuchtungseinrichtungen. Alternativ könnte der Weg natürlich auch geständert werden. Damit sind wir beim nächsten Detail.

 

 

 

 

E. Das magische Leitner-Eck

An dieser Stelle ist nun eigentlich die optische Verwirrung perfekt. M.C. Escher hätte es bestimmt besser gezeichnet, aber die Idee als solche ist nicht schlecht.


Der Wegeanschluss ist auf der Mitte des heutigen Steges über die Schillerstraße. Man fragt sich aber, worin die Verdickung des rechten Abzweigs begründet ist. Es kann sich eigentlich nur um eine Kehre handeln, um Höhendifferenz auszugleichen, oder es ist eine Plattform. Der Weg durch das Baufeld muss ja wegen der anderen Baustraßen geständert sein. Und so wird er wohl auch auf den Leitner-Steg geführt.


Interessant ist auch der kleine Ausschnitt in der Baustraße an der Platane 221. Das dürfte das Zipfelchen Lebensraum sein, dass man dem vermeintlich geschützen Baum noch gönnt (nicht durch die Krone und die Perspektive täuschen lassen). Die Baustraße wird an der Stelle vor dem Baum aufgezweigt und in Richtung der Ausfahrt Schillerstraße vom Fußgängerweg überbrückt. Auch hier wird also, wie auf fast der gesamten Wegstrecke, die Einhausung als Röhre notwendig sein.

Noch was vergessen?

Besonders imposant dürften die Ansichten werden, wenn man sich in das Gewurschtel nun noch die blauen Rohre zur Grundwassermanipulation in einer weiteren Ebene vorstellt. Aus welchem Material die ganzen Konstruktionen gefertigt werden sollen, und wie die Wege belegt sind, konnte nicht gesagt werden. Es dürfte ja gerade im Winter bei Frost und Schnee interessant sein, wie man das rutschfrei halten möchte.

Die hier aufgeworfenen Fragen und Ungereimtheiten werden technisch deutlich komplizierter sein, als die vielen Linien schon andeuten. Hier verbergen sich die typischen Nachträge einer Baufirma, die dann zur ungeahnten Kostenexplosion oder zur Pleite führen. Auch die Unterhalts- und Pflegekosten dieser Bauwerke werden nicht unerheblich sein. Das kann man nicht einfach durchwinken. Solche Darstellungen darf man sich nicht bieten lassen. So einen Bau darf man nicht beginnen lassen.

Die Repräsentationsfläche des Landes Baden-Württemberg

Der Erholungs- und Naturraum Mittlerer Schlossgarten liegt seit über einem Jahr als Baubrache da. Die wesentliche Plangenehmigung zum Abpumpen des Grundwassers wird noch lange fehlen. Für den Nesenbachdüker gibt es lediglich angedachte Lösungswege. Offenbar soll nun mit abenteuerlichen Maßnahmen eine Bautätigkeit simuliert werden, für deren zeitlichen Ablauf immer noch keine geeigneten Pläne vorliegen.

  • Es soll ohne die zentrale Baustraße und den Eisenbahnanschluss begonnen werden.
  • Es gibt immer noch kein Konzept zum Schutz der Juchtenkäfer und ihres Lebensraumes.
  • Es gibt kein durchdachtes Konzept, wie die Ansprüche der Anwohner, der Nutzer des Nahverkehrs und der Autofahrer mit diesen Baumaßnahmen in Einklang gebracht werden können.

Es gibt also derzeit finanziell und baulogistisch keinen Zustand, der es erlauben kann, die Anlagen zur Grundwassermanipulation einzuschalten oder weitere Verwüstungen durch Abtragen des Oberbodens zu bewirken. Diese beiden Maßnahmen drohen aber, als nächstes begonnen zu werden. Sie setzen die Kette der sinnlosen Zerstörungen fort.

Stuttgart 21 ist an einem Punkt angelangt, an dem ein Abbruch des Projektes nötiger denn je ist. Im Bezirksbeirat konnte man ein eindrucksvolles Bild vom anstehenden Desaster gewinnen.

AK Baumpaten
Dipl.-Ing. Jochen Schwarz

Die Videos von cams21 zur Beiratssitzung starten mit Teil1, die Präsentation zum Wegekonzept startet bei 36:00