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13.02.2012

» Zur Diskussion um den Schlichter und die Rodung der Bäume

Bahn und Landesregierung sind nackt, wie der Kaiser in neuen Kleidern

Die Bahn hatte sich öffentlich verpflichtet, die gesunden Bäume zu erhalten. Die Belege dafür wurden als Wahlplakate im Land verklebt, „Ja zum Schlichterspruch“ oder „S21-Plus“ waren die Losungen - bis einen Tag vor der Beendigung und Auftragsvergabe der Ausschreibung zur Rodung des Schlossgartens. Nun fordert Heiner Geißler die Einhaltung des Schlichtungsergebnisses.

Am 19.12.2011 fand ein denkwürdiges Ohnebürgerforum statt, in dem sich sogenannte Experten die Blöße gaben und zum Erhalt der Bäume weder Ideen noch Konzepte beizutragen hatten. Sie waren mit vorbereiteten Texten angetreten, um die vorher beschlossene Abkehr vom Schlichterspruch zu verklausulieren. Das wurde auch Zeit, damit die Bahn mit der Zerstörung des Schlossgartens weitermachen kann.

Schlächter schlachten Schlichter
Grafik: Peter Gierhardt

Die Bahn stellt sich außerhalb der Schlichtungsvereinbarung

Nachdem nun das Aktionsbündnis die Einhaltung des Schlichterspruchs einklagen will, äußert sich wenige Tage vor der Rodung der Schlichter Heiner Geißler selbst.

Er bestätigt vollumfänglich die Ansicht des Bündnisses und fordert erneut den Erhalt der Bäume. Die Grün geführte Landesregierung mache sich der Wählertäuschung schuldig. Ganz unrecht hat Herr Geißler nicht, denn im Landtag müsste es eine komfortable Mehrheit für S21-Plus geben.

Für den AK Baumpaten ist der Park, so wie und wo er ist, genau richtig: mitten in der Stadt. Er erfüllt wichtigste stadtökologische Funktionen. Der Mittlere Schlossgarten ist eine frei zugängliche Erholungsfläche für alle Einwohner und Besucher der Stadt Stuttgart.

Dem steht immer noch der Anspruch auf die Verwirklichung eines „Jahrhundertbauwerks“ entgegen (auch wenn hier inzwischen berechtigte Zweifel angebracht sind, es handele sich nur um einen tiefer gelegten Vorortbahnhof vom Modell Cannstatt).

Es fehlt ein Konzept zum Erhalt der Bäume

Aber wenn man sich zur Auflösung dieses Konfliktes verpflichtet, die gesunden Bäume zu erhalten, dann muss zuerst ein Konzept erarbeitet werden, wie dem entsprochen werden kann.

Dieses Konzept muss alle technischen Möglichkeiten zusammenstellen, alle damit verbundenen Probleme und externen Hindernisse, wie Standorte, Wege, und Bauwerke. Das muss dann für jeden Baum durchspielt, bewertet und in eine Reihenfolge gesetzt werden. Nur so erhält man einen Weg zur optimalen Erhaltung der Bäume. Erst zum Schluss kommt man dann zu den Kosten.

  • Diese Kosten dürften angesichts eines Milliardenprojektes kein Hinderungsgrund sein.
  • Die technischen Probleme dürften angesichts der Arbeiten in Gipsschichten über dem Mineralwasser kein Problem sein.
  • Baulichkeiten, wie Biergarten oder Leitner-Steg, dürften angesichts mehrhundertjähriger Bäume kein Problem sein.
  • Die Zeit dürfte angesichts der bisher ungelösten Probleme kein Hinderungsgrund sein - weder zur Planung der Aktion, noch zur Bewertung und Durchführung.

Mit modernen Geografischen Informationssystemen sind solche komplexen Berechnungen und Abwägungen von Standorten, Wegen, Hindernissen und weiteren Kriterien durchaus leistbar. Das ist keine Zauberei, sondern Stand der Technik. Und auf der Basis solcher Daten kann man dann diskutieren und entscheiden, welches Vorgehen angemessen ist, welche Technik zum Einsatz kommen soll. Die Vorwegnahme von vermeintlichen Ergebnissen der Bahn hat, seit der öffentlichen, aber unwissenden Bestätigung des Stresstestergbnisses durch Landesregierung und Medien, einen beschämenden Beigeschmack.

Die Öffentlichkeit wird mal wieder getäuscht

Das Ohnebürgerforum hat von all dem nichts erörtert, weil das Ergebnis, vom Schlichterspruch abzuweichen, von vornherein feststand. Die vorgetragenen Einzelmeinungen zu Aspekten wie der historischen Schlossgartenarchitektur oder Erfahrungen des Grünflächenamtes mit der mißlungenen Verpflanzung einzelner Bäume entbehrten jeder fundierten Analyse.

Es ist Aufgabe der Bahn, nicht der Projektgegner, ein vollständiges, nachvollziehbares, bewertbares Konzept zum Erhalt der Bäume vorzulegen. Dazu hat sie, wie in vielen anderen Bereichen, bisher nichts geleistet, sondern nur Zeit verplempert. Die Zusage zum Schlichtungsergebnis liegt über ein Jahr zurück.  Die Bahn hat nichts vorzuweisen, wie sie ihre Verpflichtung erfüllen will.

Auch wenn die Vertreter der Bahn und der angeschlossenen sogenannten Journalisten es gebetsmühlenartig hervorheben: 280 Bäume stehen noch im Schlossgarten der Zerstörung entgegen. 186 sollen gefällt werden, bei 62 nennt man die Rodung Verpflanzung, 28 Bäume wurden von der Fällung vorläufig zurückgestellt, 4 Bäume sollen erhalten werden. Das kann man im Park nachzählen, oder man zähle die roten und gelben Punkte auf den Karten der Bahn oder in den Analysen des AK Baumpaten – wer nur von Herrn Dietrich nacherzählt, ist am weitesten von der Wahrheit entfernt und will das offensichtlich auch so. Sind die Bäume erst gefällt, so hofft man anscheinend, würden die eigenen Peinlichkeiten nicht mehr nachweisbar sein.

AK Baumpaten
Jochen Schwarz
Dipl.-Ing. der Landespflege