Aktiv gegen Stuttgart 21Aktiv gegen Stuttgart 21
01.03.2012

» Die Zerstörung ist vollbracht

AK Baumpaten stellt die Auswertung der Schandtat vor

Wir haben seit dem 14.11.2011 vor der beabsichtigten totalen Rodung des Schlossgartens gewarnt und zahlreiche Dokumente dazu veröffentlicht. Das alles hat sich leider bestätigt. Unser Arbeitskreis sieht seine Aufgaben aber noch lange nicht als beendet an. Wir werden diese Schandtat in allen Aspekten dokumentieren, wie wir auch den Schlossgarten in Erinnerung halten werden.

Das Projekt Stuttgart 21 ist noch lange nicht gebaut und steht vor kaum überwindbaren Schwierigkeiten. Die Schuld, die sich die Verantwortlichen in der Politik und bei der Bahn mit der voreiligen und sinnlosen Zerstörung des Schlossgartens aufgeladen haben, darf nicht in Vergessenheit geraten.

Was bleibt ist die Durchwegung eines Bauplatzes

Der unvergleichliche Gewaltakt begann noch während der Räumung der besetzten Bäume am 15.2.2012. Mit der Pressekonferenz am 24.2.2012 verkündete ein Projektsprecher das erfolgreiche Vorgehen der Bahn, derweil die Sägen im Schlossgarten noch mal ganz heiß ins Wochenende liefen. Überzeugend waren seine Worte bezüglich der Zahlen von Baumfällungen und sogenannten Verpflanzungen nicht mal für die anwesende Stuttgarter Presse. Aber wie soll der Mann auch erklären, was offensichtlich monatelang falsch dargestellt wurde und nun für jeden sichtbar ist.

Als es die Bahn mal eilig hatte
©Thomas Igler - Als es die Deutsche Bahn AG mal eilig hatte ...

 
Der Schlossgarten ist zerstört, diesen zentrumsnahen Park für Erholungssuchende und zahlreiche, zum Teil bedrohte, Tierarten gibt es nicht mehr. In den Worten der Ideologen der Zerstörung liest sich das Ergebnis so:

„Der übrige Baubereich […] bleibt bis dahin der Bevölkerung zugänglich (Durchwegung).“

In den Worten des Architekten Ingenhoven erfolgte ja auch nur eine „Baumentnahme“.
 
Immerhin hat sich der Ministerpräsident Kretschmann, der bisher immer und voreilig vermeintliche Ergebnisse der Bahn goutierte, noch nicht wertend geäußert. Das Restgewissen der grünen Regierungsmitglieder könnte sich, angesichts des Unmutes bei Anhängern der Partei, noch unangenehm bemerkbar machen.

Transparenz bleibt die Aufgabe der Bürgerbewegung

Über Monate hinweg wurde die Öffentlichkeit mit falschen Zahlen über die bevorstehende Rodung des Schlossgartens desinformiert. Der Gipfel war das Forum sogenannter Experten am 19.12.2011, mit dem die Abkehr vom Schlichterspruch zum Erhalt der Bäume verkündet wurde. Man hatte 176 Bäume „begutachten“ lassen – nur ein kleiner Teil des Schlossgartens. Und nach diesem sogenannten Gutachten, das eigentlich die Basis zur Ausschreibung der Rodung war, sollten ca. 100 Bäume mit unterschiedlichen Techniken verpflanzt werden. Obwohl man sich von der viel diskutierten Plattformtechnik mit fadenscheinigsten Begründungen verabschiedete, was die Fällung der entsprechenden Bäume zur Folge haben musste, wurden diese Zahlen nie wirklich korrigiert. Es wurde nie berücksichtigt, dass für viele Bäume die Fällung vorgesehen war, die gar nicht Teil des Gutachtens waren. Selbst die Veröffentlichung des Rodungsplans, in dem nun jeder die roten und gelben Punkte hätte nachzählen können, vermochte es nicht, dass die Medien ihre falschen Darstellungen korrigierten. Und dann, kurz vor Ende des Desasters, bitten die Grünen ihre Mitglieder um Verständnis für die Fällung von 108 Bäumen.
 
Die Fällung und Verpflanzung der Bäume wird aus gutem Grund von einer Polizeiarmee, Sichtschutzzäunen und sonstiger Geheimniskrämerei begleitet. Die Wahrheit soll niemand erfahren (für den MP gibt es Wahrheit ja eh nicht). Die tätige Mithilfe unzähliger aufmerksamer Bürger, die uns Fotos, Videos und Berichte haben zukommen lassen, versetzt uns in die Lage, ein zutreffendes Gesamtbild zu erstellen. Es wurden:   

  • 177 Bäume gefällt
  • 60 Bäume „verpflanzt“
  • 9 Bäume wurden aus nicht geklärten Gründen vorerst stehengelassen
  • 26 Bäume von der Fällung zurückgestellt
  • 2 Bäume sollen im Herbst gefällt werden

Diese Zahlen sind sämtlich durch Bilddokumente belegt. In dem Luftbild sind alle betroffenen Bäume eingetragen. Mit den Nummern können diese Bäume in der Bestandsliste des Arbeitskreises Baumpaten gefunden werden. Schon jetzt ist dort zahlreiches Bildmaterial zugeordnet. Das wird in den nächsten Tagen noch vervollständigt werden. Nicht zu vergessen sind zahllose Eiben, Hainbuchen und Birken, die als Wildwuchs, Bestands- oder Gruppenbäume nicht erfasst waren.

Ausgewertetes Luftbild
©Baumpaten - Auswertung zu den gefällten und verpflanzten Bäumen – Luftbild in höherer Auflösung hier

Die sogenannten Verpflanzungen

Wir werden einzelne Aspekte des Frevels noch genauer aufarbeiten. Bisher war festzustellen, dass etliche Bäume, die nach dem Rodungsplan zu verpflanzen waren, entweder gleich zur Fällung markiert, oder trotz vorgesehener Verpflanzung abgeholzt worden sind. Die Begutachtung des Baumbestandes durch den sogenannten Sachverständigen Herrn Siegert war von gravierenden Mängeln durchsetzt. Wir hatten darauf hingewiesen, dass bei 40 von den 62 geplanten Verpflanzungen die Bäume zu groß gewachsen sind, um erfolgreich mit einer Rundspatenmaschine versetzt werden zu können. Das scheint dann vor Ort auch aufgefallen zu sein – leider zu spät und mit der falschen Konsequenz.

Beschädigte Wurzeln
©Alex Schäfer - Durchtrennte Wurzeln eines angeblich verpflanzbaren Baumes


Die Bäume wurden nicht, wie es fachlich notwendig ist, auf die Verpflanzung vorbereitet. Da die Bahn derzeit absehbar keine Bauwerke auf der Fläche errichten kann, hätte genügend Zeit für solche Maßnahmen bestanden. Um so mehr wäre eine sorgsame Behandlung der  entsprechenden Wurzelbereiche notwendig gewesen. Es wurde jedoch ein erschreckender Umgang mit den Bäumen offenbar. So hat man zahlreiche Ballen beschädigt, um angrenzende Pflasterwege zu schonen. Es war Eile verordnet, um möglichst widerspruchslos diesen Akt der Zerstörung durchziehen zu können.

Geheimhaltung der Pflanzorte

Bis auf wenige Ausnahmen sind uns inzwischen alle neuen Standorte der verpflanzten Bäume bekannt. Den Umgang mit diesen Bäumen dokumentieren wir ebenso sorgfältig, wie die sogenannte Verpflanzung der Bäume vom Parkplatz des abgerissenen Nordflügels vor einem Jahr. Auch damals wurden die Pflanzorte vor den Bürgern geheim gehalten. Das machte uns diese Aufgabe schwierig, aber nicht unmöglich.
 

Klein und Gross
©Alex Schäfer
Der Altersunterschied zwischen beiden Eichen beträgt ca. 180 Jahre. Ist die kleine Säuleneiche mal so groß gewachsen, hätte die große Eiche erst die erste Lebenshälfte erreicht gehabt.

Es wirft ein schlechtes Licht auf die Betreiber des Frevels, aber sie haben viel zu verbergen. Ihnen ist wichtig, möglichst schnell und flächendeckend ihre Propaganda verbreiten zu lassen, nach Möglichkeit dabei noch einen Ministerpräsidenten auf den Leim zu kleben. Dagegen können wir mit unseren bescheidenen Mitteln nicht ankommen. Doch werden wir aufzeigen, was verborgen wird,, für alle transparent in gut begründeter Qualität.

Ihr kriegt uns nicht los, wir Euch schon

Noch stehen also 38 Bäume aus unterschiedlichen Gründen an ihrem Standort. Ihr weiteres Schicksal ist unklar und rechtlich in keiner Weise gesichert. Hinzu kommt die beabsichtigte Absenkung des Grundwassers, die diese Bäume allesamt vertrocknen lassen wird. Zwei große Platanen sollen noch im Herbst gefällt werden. Für den Kefer-Zoo an der Schillerstraße gibt es keine Schutzgebietsausweisung, der Artenschutz ist hier einfach in das Ermessen der Bahn gestellt – ein wahrscheinlich einzigartiger Umgang mit einer europaweit geschützten Tierart.
 
Solange diese Bäume noch stehen und die verpflanzten Bäume noch leben, werden wir weiter Baumpatenschaften zu diesen Bäumen anbieten. Unser Rechtshilfefond wird auch weiter Geld benötigen, denn der Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 ist noch lange nicht beendet. Mit der sinnlosen Zerstörung gibt es sogar einen triftigen Grund mehr, diese Frevler mit ihrem mafiösen Projekt zu stoppen.
 
Auch die Erinnerung an UNSEREN Park wird uns die Kraft geben, dafür zu kämpfen, dass der Bonatz-Bahnhof wieder aufgebaut und der Schlossgarten wieder bepflanzt wird.


Jochen Schwarz,
Dipl.-Ing. der Landespflege,
AK Baumpaten

PS: Der Arbeitsreis Baumpaten bedankt sich bei allen, die mit ihren Beobachtungen zu dieser Auswertung beigetragen haben. Ein Besonderer Dank gilt Manfred Grohe, der uns das Luftbild zur Auswertung im Original zur Verfügung stellte.

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Update 1, 20.3.2012

Geringfügig wurde die Statistik angepasst, zwei Fällungen und eine sogenannte Verpflanzung mehr. Das Luftbild wurde entsprechend aktualisiert. Einzelheiten zur Zerstörung des Schlossgartens finden sich unter der Rubrik Zerstörung.